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Nachdem die Rohfassung steht ...

Das 1. Überarbeiten

 

Manche Autoren schreiben unter das letzte Kapitel "Ende". Abgesehen davon, dass ich bisher meine Fischland-Geschichten immer weitererzählen durfte und sie schon allein daher nie wirklich zu Ende sind, beginnt nach dem letzten Wort - wie immer es lautet - das Überarbeiten des Textes. Das heißt nicht nur nach Rechtschreibfehlern oder Stilblüten gucken, sondern auch sehr gründlich überprüfen, ob alles stimmig und logisch ist, ob Übergänge fehlen, Gefühle richtig rüberkommen und geweckt werden. "Richtig" ist in letzterem Fall natürlich immer so eine Sache, weil Gefühle ja sehr unterschiedlich sind und Dinge sehr unterschiedlich wahrgenommen werden. Ich kann es also nur so schreiben und überarbeiten, wie es für mich selbst stimmt und sein muss. Ich gehe am liebsten zweimal komplett durch den Text - und erst dann gebe ich das Manuskript in "fremde" Hände. "Fremd" in Anführungszeichen, weil sie so fremd nicht sind, sondern meinem Mann Jörg gehören. Es ist ein Geschenk, dass wir beide schreiben und uns entsprechend austauschen können, Lob und Kritik hier in erster Linie kollegial und nicht ehepaarmäßig betrachten.

 

Das 2. Überarbeiten

 

Wie ich gerade sagte: kollegial, nicht ehepaarmäßig. Das heißt, der Göttergatte ist auch mal nicht zimperlich mit seinen Kommentaren. Da kommt es schon vor, dass ich bei einigen schlucken muss. Der Göttergatte legt dann, im Gegensatz zu mir, auch keinen großen Wert auf weitere Diskussionen. Er hat mir seine Meinung mitgeteilt - ich kann sie annehmen oder nicht. Rein sachliche Punkte nehme ich in der Regel an. Emotionale dagegen selten. Da ticken wir dann doch ziemlich unterschiedlich. Vielleicht der kleine Unterschied zwischen Mann und Frau jenseits von dem, den niemand bestreitet? ;-)

Nach diesem Durchgang geht das Manuskript an meine beiden bewährten Testleserinnen.

 

Das 3. Überarbeiten

 

Die Kommentare meiner beiden Testleserinnen finden - meistens - auf emotionaler Ebene statt. Da ich emotionalen Reaktionen gegenüber zwar durchaus nicht immun bin (im Gegenteil), aber doch von dem überzeugt, was Paul & Kassandra und Greta & Matthias fühlen und entsprechend auch tun, ist diese Phase für mich in erster Linie eine spannende Angelegenheit, denn: Die Kommentare bereiten mich auf das vor, was ich später von den realen Leser*innen "da draußen" zu hören bekommen könnte.

 

Besonders interessant war das übrigens bei "Fischland-Angst", wo man als Leser*in ab einem bestimmten Zeitpunkt entweder der einen oder der anderen Richtung folgen kann. Meine beiden Testleserinnen waren tatsächlich sehr unterschiedlicher Meinung.  Ich selbst dagegen fühlte mich wie Kassandra vollkommen hin- und hergerissen. Insgesamt waren das drei emotionale Reaktionen - sofern man meine eigenen Gefühle als Reaktion bezeichnen kann. Da fragte ich mich natürlich schon mehr als sonst, wie später die Leser*innen reagieren würden.

 

Das Verlagslektorat

 

Jetzt schicke ich das Manuskript an den Verlag, der es wiederum an eine Lektorin weitergibt, die - ähnlich wie der Göttergatte - vor allem mit professionellem und recht wenig emotionalem Blick an den Text herangeht und mich auf all das aufmerksam macht, was zuvor übersehen wurde. Denn natürlich gibt's immer noch verschwurbelte Formulierungen, vielleicht (hoffentlich nicht, aber es passiert) ein logisches Loch, unklare Zusammenhänge, inflationär benutzte Lieblingswörter... Diese Überarbeitung fällt mir zugegebenermaßen leichter als die vorherigen Schritte. Erstens weil sie frei von Gefühlsduseleien ist - nur der Humor kommt nicht zu kurz. Und zweitens weil ich in Dr. Marion Heister eine ganz, ganz tolle Lektorin habe, die hervorragende Vorschläge macht, mir und meinen Protagonist*innen aber gleichzeitig sehr viel Freiraum lässt.

 

Die Druckfahnenkorrektur

 

Das ist der letzte Durchgang, bevor der Text in den Druck geht. Das PDF sieht schon so aus wie das fertige Buch, und es geht in der Hauptsache darum, Tipp- und Trennfehler sowie "Schusterjungen" und "Hurenkinder" zu eliminieren. Und ja, das heißt wirklich so. Als "Schusterjungen" werden erste Zeilen eines Absatzes bezeichnet, die als letzte Zeile auf einer Seite stehen, "Hurenkinder" sind letzte Zeilen eines Absatzes, die auf der nächsten Seite stehen. Alles klar? ;-) Beides, sagt man, stört den Lesefluss, und so muss auf den entsprechenden Seiten entweder eine Zeile eingespart oder eine hinzugefügt werden.

 

Aber natürlich fallen mir auch in dieser Phase noch ein paar andere Kleinigkeiten auf. Vielleicht weil ich den Text erstmals auf Papier sehe, vielleicht auch, weil zwischen dem Lektorat und der Druckfahnenkorrektur am meisten Zeit vergeht und ich daher den größten Abstand zum Text habe. Da entdecke ich zum Beispiel leichter Wortdoppelungen, die mir vorher entgangen sind. Ich hab auch sogar schon ein kleines logisches Loch gefunden. Der eigentliche Drucksatz darf in der Fahne nicht mehr verändert werden, also ist Fingerspitzengefühl gefragt, wenn man das Loch stopfen will. Aber - es geht!

 

Und nun - ist der Text wirklich fertig.

 

Die Belegexemplare kommen

 

Jubel! :-) Aber nicht gleich reinsehen, denn garantiert findet sich irgendwo doch noch eine verflixte Wortdoppelung! ;-)